Redakteure stehen nicht auf Weicheier, sondern auf Typen

Fast jeder, auch die Medien lieben Typen, echte Persönlichkeiten, die etwas zu sagen haben und die abweichen vom Mainstream, der überall grassiert. Interessant ist eben nicht der, der sagt, was alle sagen, sondern glaubhaft seine eigene Meinung vertritt, „sein Ding“ macht und schon allein damit Charakter und Persönlichkeit beweist. Das darf, muss vielleicht sogar, etwas provokant sein, anecken und Grenzen austesten. Das soll nicht bedeuten, dass zwanghaft jedes gesellschaftliche und mediale Commitment über Bord geworfen werden soll. Provokation ist kein Selbstzweck. Aber die Konsequenz des eigenen Handelns, das Leben und Präsentieren der eigenen Positionierung in allen Facetten, die klare Kante beim Einbringen, Erklären und eventuell Verteidigen der eigenen fachlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gedanken und der Mut zur eigenen Meinung, die eben dem eigenen Wesen entsprechen, helfen durchaus, von Medien und Multiplikatoren beachtet zu werden – umso mehr in einer Zeit, in der eine eigene Position zum Luxus geworden zu sein scheint.

Und das ist vielmehr als die oft zitierte Aufforderung, man möge doch authentisch sein. Viel mehr. Das, was uns die übliche Management- und Ratgeberliteratur als Authentizität verschreibt, ist in Wahrheit meist nicht mehr als Mainstream-Anpassung mit pseudo-individueller Note. Erfolgreiche Menschen können es sich in diesem profanen Sinne nicht leisten, authentisch zu sein. Sie müssen vielmehr sie selbst sein und ihr Inneres kultiviert nach außen transportieren – jenseits dessen, was aktuell gewünscht und erwartet wird. Gefragt ist Echtheit und Ehrlichkeit, auch wenn diese mal weh tut und mal nicht mit neuen Freundschaften und Jubelarien verbunden ist. Diese Konsequenz zeichnet wahre Marken aus. Marken, die auch medial stattfinden, die als Interviewpartner gern eingeladen werden, weil sie für etwas stehen und fast wie selbstverständlich eine Art Meinungsführerschaft für sich beanspruchen.

Wie aber entsteht Meinungsführerschaft? Wie kommt es, dass manche Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, Gesellschaft oder Sport immer wieder im Fernsehen und in Magazinen auftauchen, teilweise sogar – Aufzeichnungen sei Dank – auf mehreren Kanälen gleichzeitig? Die Antwort klingt banal: Sie sind verlässlich. Verlässlich darin, auskunftsfreudig, eloquent und konsequent in ihren Statements zu sein. Der Journalist weiß schlicht, wen er sich einlädt. Er kann sich darauf verlassen, dass der Talkgast oder Experte die Rolle, die ihm allein oder im Konzert mit anderen zugedacht ist, auch gut verkörpert – verkörpert, nicht spielt. Experten sind keine Schauspieler, sie sind vielmehr die, die den Überblick über ein Thema haben, die für Klarheit sorgen und Erklärungen liefern, die den meisten Zuschauern neu sind. Das ist Meinungsführerschaft. Es ist diese Verlässlichkeit, die sich die Medien wünschen, der Wunsch, genau das zu bekommen, was  sie erwarten – einen Typen, der keine seichten „Sowohl-als-auch-Aussagen“ macht, der klar ist in seiner Position und Haltung und der den Konflikt mit anderen nicht scheut, so er denn Teil der medialen Inszenierung sein soll – der eigenen oder der des TV-, Radio- oder Zeitungsformats.

Redaktionen und Journalisten agieren schließlich nicht im luftleeren Raum. Sie haben eine Aufgabe zu erfüllen, nämlich ihre Zielgruppe zu informieren, zu unterhalten oder zu etwas zu animieren – nur eben unter den Auflagen vermeintlicher journalistischer Objektivität. Wer dem Journalisten hilft, hier seine Aufgabe optimal zu erfüllen, in dem er als Experte in allen Facetten das abliefert, was gebraucht und erwartet wird und was eben zu 100-Prozent auch der eigenen Identität entspricht, wird immer wieder gefragt. Medienarbeit wird zum Perpetuum mobile. Meinungsführerschaft entsteht durch Wiederholung. Glaubhaft wiederholt werden kann aber nur, was man selbst lebt und erlebt. So entsteht ein kongruentes und glaubhaftes Bild einer Marke, die von Redaktionen und Journalisten gerne weiterverbreitet wird.