Mini-Trumps in deutschen Chefsesseln – Wird der Wortbruch zum Geschäftsmodell?

Die deutsche Wirtschaft leidet an zunehmender Charakterlosigkeit. Die Zahlungsmoral lässt nach, Verträge werden gekündigt, Projekte abgebrochen und Zusagen nicht eingehalten. Diese Klage führen immer mehr Unternehmer und Selbstständige. All diese Verhaltensweisen sind ohne Frage teilweise krisen- und rezessionsbedingt. Viele Unternehmen sind zu unschönen Entscheidungen gezwungen, wollen oder müssen Kosten senken und sehen in solchen Maßnahmen alternativlose Entscheidungen im Sinne des eigenen Fortbestands. Zudem gilt es als unternehmerische Tugend, Entscheidungen schnell zu treffen und konsequent umzusetzen. Echte Entscheider zögern nicht, sie agieren. Unternehmer sind schließlich keine Unterlasser.

Nichts für Mimosen

Das Gefühl, nicht mehr alles sagen zu dürfen, ist auch in der Wirtschaft angekommen. Jede Meinungsäußerung eines Unternehmers oder Managers wird kommentiert, jede Werbekampagne auf vermeintliches Fehlverhalten hin analysiert. Schnell entsteht öffentliche Empörung, werden Bilder oder Aussagen, die einem früher völlig ungefährlich erschienen, skandalisiert. Und dann bricht eine Empörungswelle los, die nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen ist.

Politics & Tea

Neues Gesprächsformat setzt auf echten Dialog zwischen Wirtschaft und Politik – Dass sich Unternehmer und Politiker zwar in vielen Verbänden und Institutionen sowie im Rahmen von Messen und Kongressen begegnen, ist nichts Neues. Verstehen aber, so scheint es, können sich die beiden Seiten immer weniger. Probleme der Wirtschaft werden ausschließlich parteiideologisch eingeordnet, ignoriert oder schöngeredet lautet der Vorwurf der einen. „Der Gruß des Kaufmanns ist die Klage“ ist der Vorwurf der anderen. Und überhaupt sei die Lage viel besser als beschrieben und jeder tue doch sein Bestes – was auch immer das sein mag.
Einen echten, tiefgehenden Dialog dieser beiden sehr unterschiedlichen Welten gibt es kaum, trotz unzähliger Lobbyorganisationen, Foren und Business-Talks.

Debattenbeiträge statt Werbebotschaften

Wer derzeit Unternehmens- und Wirtschaftsnachrichten liest, bekommt vor allem zwei Botschaften: Klagen über die eigene Situation oder plumpes Werben für die eigenen Produkte und Dienstleistungen. Das Klagen mag durchaus angebracht sein. Unbestritten sind die derzeitigen Rahmenbedingungen für Unternehmen eher negativ. Und Werben erscheint notwendig, denn Unternehmen haben seit Jahren eingeimpft bekommen, dass nur existiert, was auch wahrgenommen wird. Die Währung dieser Wahrnehmung sind Reichweiten, Klicks und Likes, insbesondere in den sogenannten sozialen Netzwerken.

Mehr Mut zur eigenen Meinung

An hohe Steuern, bürokratischen Aufwand und Kummer mit der Politik sind Unternehmer grundsätzlich gewöhnt. Seit Jahren klagt „die Wirtschaft“ über Missstände, moniert immer neue Gesetze und Regelungen zu ihren Lasten. Vielfach sind diese Klagen berechtigt. Eine ganze Klageindustrie aus Verbänden, Think Tanks, Lobbygruppen und Public-Affairs-Agenturen hat sich deswegen etabliert. Das Beschweren wird dabei ebenso arbeitsteilig betrieben wie Service- und Produktionsprozesse. Viele Unternehmen haben selbst das Wehklagen über das, was ihnen politisch und gesellschaftlich widerfährt, an solche Akteure delegiert. Böse Zungen nennen es Lobbyismus, wohlmeinende Interessenvertretung.

Verkaufen ist unsexy

Geld ist niemals das Ziel, sondern immer nur das Ergebnis. Im Kern erfolgreicher Marken stehen Begriffe wie Intensität, Freude oder Enthusiasmus, nicht aber „Geld verdienen“, „reich werden“ oder „Umsatzwachstum“. Das hat im Wesentlichen damit zu tun, dass im Kern einer Marke der ultimative Kundennutzen steht, das Versprechen, das ein Unternehmen gegenüber seinen Kunden einlöst. Im Markenkern steht somit die Perspektive des Kunden, die des Käufers, nicht die des Verkäufers.

Wir digitalisieren uns arm

Die Digitalisierung ist das Megathema der deutschen Wirtschaft. Sie wird als Lösung für alle Probleme verstanden, mit denen Unternehmen derzeit zu kämpfen haben: Arbeitskräftemangel, steigende Kosten, komplexe vernetzte Prozesse. Und tatsächlich haben digital gesteuerte Automatismen auch Vorteile – zumindest für die Unternehmen.

So manche Digitalisierung macht „Service-arm“

Wer in den letzten Wochen ein bekanntes Fast- Food-Restaurant besucht hat, wird eine „Innovation“ bemerkt haben. Der gesamte Auswahl- und Bestellprozess findet nun über Terminals statt. Ohne Zwiebeln, Currysauce oder Ketchup, die Variante mit extra Jalapeños und die Auswahl des Spielzeugs in der Juniortüte, all das lässt sich am Touchpad entscheiden. Doch wer profitiert von dieser „Innovation“?

Premium geht anders: Das Analoge hat eine Zukunft

Termine platzen, nicht selten kurzfristig. Absprachen werden nicht eingehalten, Versprechen gebrochen. Der Handschlag gilt kaum noch etwas. Die Zuverlässigkeit nimmt ab, sowohl bei Mitarbeitern und Lieferanten als auch gegenüber den Kunden. Die deutsche Wirtschaft hat ein Commitment-Problem. Viele Unternehmer werden dies bestätigen. Die ehemals „deutschen Tugenden“ wie Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin zählen nur mehr wenig.

Der Shitstorm lauert überall

Wer sich in den sogenannten sozialen Medien umsieht, wird sehr schnell feststellen, dass eine neue Debattenkultur Einzug gehalten hat. Gleiches gilt für Bewertungsportale. Hotelzimmer, Speisen, Dienstleistungen, alles ist entweder supertoll, umwerfend und in schillernden Farben gezeichnet oder aber maximal verabscheuungswürdig, betrügerisch oder gar unmöglich. Schwarz oder weiß, Grautöne und sachliche Begründungen für die eigene Bewertungen gibt es kaum noch.